ANDREAS WEISER (Regisseur), Hessischer Rundfunk, Redaktion hr2-kultur Hörspiel, verantwortliche Redakteurin: Cordula Huth
Begründung der Jury
Salmen Gradowski. Lejb Langfuss. Herman Strasfogel. Salmen Lewenthal. Marcel Najari. Abraham Levite. Diese fünf Männer beschreiben im Detail die Hölle, in der sie gefangen sind. Sie sind Augenzeugen, die nicht überleben dürfen. Sie sind Juden. Sie gehören zum Sonderkommando Auschwitz, die im Vernichtungslager die schrecklichste Aufgabe haben: ihre eigenen Leute in die Gaskammern zu führen und ihre Leichen zu verbrennen. Ihre genauen Beschreibungen der Erniedrigungen, der Entmenschlichung, der Qualen, des Mordens sparen nicht aus, was das mit ihnen macht, wie die erlebte Bestialität sie abstumpfen lässt. Sie verstecken ihre Texte in Kassibern, graben sie ein in der Asche im Krematorium oder anderswo. Es sind Briefe an die Nachwelt, und die Adressaten sind wir.
Diese „Briefe aus der Hölle“ wurden gefunden zwischen 1945 und 1980. Der Historiker Pavel Polian hat die Aufzeichnungen mit seinem Buch dem Vergessen entrissen. Andreas Weiser hat mit seiner Radiokunst daraus ein akustisches Mahnmal gemacht. Es ist die leiseste und zugleich eindringlichste Begründung für das so oft proklamierte „Nie wieder!“.
Wie es ist, wenn „Ethik und Moral ins Grab“ hinabsteigen, wenn Menschen „gequält, ausgehungert und ihrer Seelenkraft beraubt“ werden, wie es wörtlich heißt – diese Schilderungen sind in dem Hörstück zurückhaltend intoniert und gerade deshalb so schwer erträglich. Die Bilder des Grauens entstehen in unseren Köpfen, und sie verschwinden nicht. Subtil schafft Andreas Weiser einen Sog der Ereignisse mit den Leidenswegen von der Verhaftung, dem Abtransport, Ankommen im Lager, der Selektion bis zur industrialisierten Vernichtung. Es ist ein eindringlicher Appell an die Menschlichkeit und eine unbeugsame Erinnerung an unsere Verantwortung. Dieses Stück muss man gehört haben.