Birgit Wärnke (Autorin) Norddeutscher Rundfunk, Redaktion: Lutz Ackermann, Anja Reschke
Begründung der Jury
„Ausländer kriegen alles umsonst.“ Man kennt die Parolen. August, kurz vor der Bundestagswahl, bei der die AfD auch in Groß Kreutz in Brandenburg an der Havel ein hohes Ergebnis erzielen wird. In der Gemeinde sind viele Menschen wütend auf die Politiker. Alles Pöbler? Oder Ossis, denen ein Stück demokratischer Kultur fehlt, wie manche im Westen befinden? Die Panorama-Reporterin Birgit Wärnke ist im Brandenburgischen aufgewachsen. In ihrer Reportage geht sie zurück zu den Menschen in Groß Kreutz. Um in der fremd gewordenen Heimat ins Gespräch zu kommen. Um ohne Umweg zu fragen, den Antworten zuzuhören und vielleicht, aber nicht vorschnell, zu begreifen. In einer Garage haben einige Männer ihre Stammkneipe eingerichtet. „Flüchtlingsfeindlich“ sei man nicht, „flüchtlingsskeptisch“ schon. Der Vater „übersetzt“ für die Tochter. Sehr genau getextet, sehr erhellend montiert, entsteht bei Wärnkes Gesprächstouren durch das Dorf ein Bild des Lebensgefühls der Dagebliebenen. Viele fühlen sich abgehängt. Der Zusammenhalt – weg, genau wie die soziale Absicherung. Verklärung der Vergangenheit. Selbst der Dönerwirt Hakan zeigt sich verständnisvoll: „Die Bevölkerung wird nicht gehört“, sie wünsche sich vom Staat Bürgernähe und „vernünftige Gemeinschaft“. Wärnkes Reportage findet über den persönlichen Zugang ihren eigenen Ton. Es gilt das Prinzip des aufgeschobenen Urteils, und es sind schließlich keine spektakulären Erkenntnisse oder Ansichten, die in „Zurück im Osten“ ein sprechendes Mentalitätsbild ergeben, sondern vielfach die kleinen Dinge, die umso mehr zählen. Herausragend getextet, erhellend montiert, fasst die Reportage mit ihrer Recherchebewegung das Gerechtigkeitsthema nachdrücklich an. Dabei wahrt es genügend Distanz, um dem Zuschauer Mit- und Nachdenken zu ermöglichen. Ein Paradebeispiel der hohen Kunst einer gelungenen Reportage.