Pfarrer Bernd Merz, Rundfunkbeauftragter des Rates der EKD und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen VEF, Vorsitzender der Jury „Kinderprogramme“
Sehr geehrte Frau Intendantin, liebe Preisträger,
sehr geehrte Damen und Herrn,
zum vierten Mal verleihen wir den Kinderfernsehpreis des Robert Geisendörfer Preises. Dieser Preis wurde möglich durch eine Stiftung des Ehepaares Mann, dem ich hier noch einmal herzlich danken möchte. Selten war eine Stiftung innerhalb der Medien so sinnvoll wie diese. Denn der Kinderpreis wird Robert Geisendörfers berühmtem Motto, Evangelische Publizistik ist, den Sprachlosen eine Stimme zu geben, so gerecht wie wenige andere Auszeichnungen. Wenn es eine Gruppe von Sprachlosen in unserem Land gibt, sind es nach wie vor die Kinder. Natürlich wird viel über sie gesprochen. Aber eben auch über sie hinweg. Die Maßstäbe, die erwachsene Kritiker z.B. an Kinderfernsehen anlegen, sind Maßstäbe von Erwachsenen, nicht von Kindern. Und auf Seiten der Sender muss man bei allen Erfolgen und lobenswerten Initiativen festhalten, dass die Kinder hier primär doch in erster Linie als Zielgruppe angesehen werden. Beides geht meiner Meinung nach am Sinn und Zweck von gutem Kinderfernsehen vorbei. Denn gutes Kinderfernsehen orientiert sich an den Bedürfnissen der Kinder.
Kinder haben andere Bedürfnisse als Erwachsene. Sie äußern diese Bedürfnisse ganz klar. Und sie können dabei viel rücksichtsloser sein als wir Erwachsenen mit unseren Taktiken und unserer Höflichkeit. Da können Sie noch so oft sagen: „Aber Moment mal, dieser Film ist in seiner Bildsprache eine ästhetische Revolution“ oder „Diese Reportage vermittelt ungeahnte Einblicke in globale Zusammenhänge“ - das ist dem kindlichen Zuschauer wurscht. Sie können ihm alles erzählen, aber Sie müssen es wirklich ihm erzählen. Jeder, der sich in diesem Bereich auskennt, weiß, dass Kinder einerseits ein anspruchsvolles und knallhartes Publikum sind und dass sie andererseits eine eigene, spezielle Rezeption haben. Dieses Publikum zu erreichen, ist die besondere Herausforderung beim Kinderfernsehen. Und wir in der Jury sehen unsere besondere Herausforderung darin, die eingereichten Beiträge zu sehen, wie sie Kinder sehen. Wir lassen uns Zeit, wir sehen genau hin, wir vergleichen mit unseren Erfahrungen, die wir durch unsere Arbeit haben oder unsere eigenen Kinder - oder unsere eigene Kindheit. Wir lassen uns bei der Arbeit in der Jury nicht von vorgefertigten Meinungen beeinflussen, weil sich Kinder auch nicht beeinflussen lassen.
Wie nötig diese Arbeit ist, lässt sich auch an einer eher bedenklichen Beobachtung festmachen: die eingereichten Beiträge sind zum großen Teil nicht auf dem Niveau, das wir für nötig halten. Natürlich finde ich das enttäuschend. Wir erleben immer wieder Nachrichten, die groß aufgegriffen werden, über Kinder und Jugendliche, die sich z.B. betrinken, die sich in der Schule gegenseitig terrorisieren, die sich nur noch um Second Life kümmern und nicht mehr um die Schule. Wir erleben solche Nachrichten, und wir tun zu wenig dagegen. Man kann den Medienkonsum der Kinder zwar regulieren, aber man kann in den wenigsten Fällen das Fernsehen komplett vermeiden. Deshalb ist es entscheidend wichtig, was genau Kindern und Jugendlichen in allen Medien geboten wird.
Die Rundfunkarbeit der EKD hat sich in den letzten Jahren immer wieder für wertvollen Inhalt eingesetzt, und ich bin sehr stolz darauf, dass sich dieses Engagement auch in einer Auszeichnung heute niederschlägt. Wir werden uns weiterhin für ein Kinder- und Jugendprogramm einsetzen, das auf die speziellen Bedürfnisse dieser Zielgruppe eingeht: eine unterhaltsame und unmittelbare Erzählweise verbunden mit einer Darstellung der Welt, die Orientierung für den Alltag transportiert. Als ich vor sechseinhalb Jahren Rundfunkbeauftragter der EKD wurde, habe ich in einem Interview gesagt, dass ich ein christliches und wertebasiertes Fernsehen für Kinder und Jugendliche stärken und unterstützen möchte. Dass mir das bei den Kindern etwas gelungen ist, habe ich auch diesem Kinderfernsehpreis zu verdanken, bei den Jugendlichen war ich nicht ganz so erfolgreich. Deshalb ist meine berufliche Veränderung zu Bibel TV, um dort Jugendfernsehen aufzubauen, ein logischer Schritt. So darf ich als Jury-Vorsitzender ein letztes Mal dieser Jury danken, ganz besonders Gerda Mann und an dieser Stelle auch ihrem Mann Wolfgang, sowie den Jury-Mitgliedern Jörg-Holger Behrens, Tilmann P. Gangloff, Dr. Maja Götz, Udo Hahn, Dr. Karl-Heinz Käfer, Heike Mundzeck. Euer Engagement und Kompetenz haben mich immer wieder begeistert. Ich glaube, dass es beim Kinder- und Jugendfernsehen nicht auf die Marktanteile ankommt, sondern ob das Herz der jungen Zuschauer erreicht wird. Wenn das geschieht, kann man auch mit kleiner Quote bei kleinen Menschen die Welt zum Guten verändern. Und das ist ja wohl das eigentliche Ziel.