Landesbischof i.R. Dr. Ulrich Fischer
Sehr verehrter Herr Nellessen, sehr geehrte Damen und Herren, vor allem liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
es ist mir eine Freude, Sie zur nunmehr 28. Verleihung des Robert Geisendörfer Preises begrüßen zu dürfen. Zunächst möchte ich Ihnen, verehrter Herr Nellessen ganz herzlich danken, dass Sie heute unser Gastgeber sind. Wir freuen uns sehr, dass die Evangelische Kirche mit ihrem Medienpreis nach nunmehr zwölf Jahren wieder einmal Gast beim Südwestrundfunk sein darf. Wir danken Ihnen sehr herzlich für die großzügige Unterstützung und schon jetzt für die anschließende Einladung zum Buffet.
Es ist mir in diesem Jahr ein Bedürfnis, den Preisbegründungen einige Bemerkungen voranzuschicken. Selten hat sich der Vorjury und der Jury ein so breites Feld bemerkenswerter und wertvoller Programme geboten wie bei der Durchsicht der eingereichten Programme des Jahres 2010. Die Qual der Wahl fand also auf hohem Niveau statt, und fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich Deutschland im europäischen wie auch im internationalen Vergleich aufs Ganze gesehen auf einer Insel der Seligen befindet. Dies zeigte die ästhetische Kreativität vieler eingereichter Beiträge, die Zeit, die die Sender augenscheinlich einigen Journalisten eingeräumt hatten, um ihre Geschichten zu erzählen, die Tiefe und Nachdrücklichkeit der Recherche, die Präzision der Sprache in Bild und Wort und der Variantenreichtum der Themen und Perspektiven.
Da gab es im wahrsten Sinn des Wortes aufschlussreiche Innenansichten von sonst geschlossenen Räumen der Gesellschaft. Zum Beispiel eines Gefängnisses oder einer Asylbewerberunterkunft, Einblicke in Familientragödien hinter verschlossenen Türen, eine nachhaltige Recherche über den Verdacht auf tödliche polizeiliche Übergriffe in der Untersuchungshaft – alles journalistische Arbeiten, die Einblicke geben und Innenansichten aufschließen, die zeigen, was geschieht, wenn die öffentliche Kontrolle der Gesellschaft endet.
Es gab weiter Beiträge gegen den Aktualitätsdruck, so den Versuch, ein Jahr nach dem grauenerregenden Erdbeben in Haiti nachzusehen und nachzufragen. Da zeigten sich die elektronischen Medien einmal mehr als kulturelles Gedächtnis. Wie in einem wunderschön fotografierten Eisenbahnmovie quer durch Südafrika, das zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid fragt, wie es Menschen miteinander geht, die in einem Zug sitzen, aber noch nicht im selben Abteil angelangt sind, oder in dem später noch zu würdigenden Beitrag über den Völkermord von 1915 an dem armenischen Volk. Genaue historische Arbeit gepaart mit höchsten ästhetischen Standards. Wir haben nachdenkliche Leistungen vorgefunden, die den Zuschauer neue Welten sehen und hören lassen.
Auch die Fragen von Globalisierung und Integration bleiben in ihren unterschiedlichen Ebenen auf der Tagesordnung des Programms, die Festung Europa ebenso wie die Integration von Einwanderern. Internationale und interkulturelle Positionen werden befragt, konkret gemacht und journalistisch auf den Prüfstand gestellt – vom Standpunkt der Menschenrechte aus und dem der Nächstenliebe. Es ist dabei auffallend, dass neue Generationen von Journalistinnen und Journalisten mit technischer Gewandtheit und ästhetischer Kreativität scheinbar leichthändig Empathie erzeugen und für ihre Botschaft keine Appelle oder den moralischen Zeigefinger brauchen. Gezeigte Not, gezeigte Tapferkeit, gezeigter Lebensmut von Menschen, die von den Medien in den Blick gerückt werden oder die uns im Radio zu Ohren kommen, wirken evidenter als hundert mediale Predigten – das sagt ein Bischof, der weiß, wovon er spricht.
Lassen wir, wir Bürger, Zuhörerinnen und Zuschauer, uns also diese Medien – hier insbesondere in öffentlich-rechtliche Ohren gesprochen – die uns so viel über das Innen- und Außenleben dieser Gesellschaft und der Menschengemeinschaft berichten können, die Haltungen beeinflussen und das Niveau des gesellschaftlichen Diskurses und der Sprache vorgeben, nicht kaputt machen durch Korruption und Filz, durch gegenseitiges Händewaschen und Bestechlichkeit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist das Instrument, das wir Bürger den Redakteuren und Chefredakteuren und Intendantinnen anvertraut haben. Eine Vertrauenssache der Zivilgesellschaft. Einige Fälle von mangelnder Aufsicht und Korruption werden derzeit öffentlich verhandelt, hoffentlich sind sie demnächst abgeschlossen – und die Anstalten haben dann ein wenig mehr acht auf die journalistische Ethik und den Auftrag, den sie von uns Bürgern für das öffentliche Wohl bekommen haben. Und noch ein Wunsch an die Programmplaner: Viele der vorgeschlagenen und ausgezeichneten Sendung hätten von ihrer öffentlichen Brisanz und Relevanz her betrachtet einen wesentlich besseren Sendeplatz verdient. Was uns wieder lehrt, dass unser Rundfunk viel besser ist, als uns das Primetime-Programm glauben machen will.
Meine Damen und Herren, seit 1983 laden wir die Sender jedes Jahr erneut dazu ein, uns Produktionen – Hörfunk- wie Fernsehsendungen – einzureichen, „die einen besonderen Beitrag zur gesellschaftlichen Kommunikation leisten“. Das spezifische Anliegen des Medienpreises der Evangelischen Kirche besteht darin, auf Sendungen aufmerksam zu machen, „die das individuelle und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken, die zum guten Miteinander von Einzelnen, Gruppen und Völkern und zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter beitragen“. So steht es in den Statuten. Dieser Anspruch gilt mit Sicherheit für alle Preisträgerinnen und Preisträger des diesjährigen Wettbewerbs.
Bevor wir nun zu unseren diesjährigen Preisträgern kommen, möchte ich noch den beiden Jurys danken, der Vorauswahljury und der Hauptjury, und Sie schließlich darauf aufmerksam machen, dass am Freitag dieser Woche die nächste Ausgabe von epd medien erscheint. Dort können Sie Berichte von Diemuth Roether aus der Jury „Allgemeine Programme“ und von Tilmann Gangloff aus der Jury „Kinderprogramme“ nachlesen.