Laudatio auf Hans Janke von Matti Geschonnek, Regisseur
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, sehr geehrter Herr Professor Reiter, sehr geehrter Herr Landesbischof Dr. Fischer und, vor allem natürlich, lieber Hans Janke,
abgesehen davon, dass ich mich sehr geehrt sehe, heute hier die Laudatio auf Hans Janke halten zu dürfen, abgesehen davon, dass ich ihm sehr viel zu verdanken habe nach jahrelanger direkter und indirekter Zusammenarbeit, abgesehen davon, dass ich in Hans Janke mehr als nur den verdienten Fernsehmann verehre, und abgesehen davon, dass ich zu ihm ein Verhältnis habe, dass bestimmt über das eines weisungsgebundenen Regisseurs zu seinem Fernsehfilmchef hinausgeht, habe ich doch nach einer Gemeinsamkeit gesucht, die uns im Besonderen verbindet: Beide sind wir mindestens eine Stunde vor Abflug pünktlich am Flughafen. Mindestens eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges treffen wir am Bahnhof ein. Ganz im Gegensatz im Übrigen zu seinem Nachfolger im ZDF, Reinhold Elschot: der vertrödelt bewusst noch zehn Minuten im Büro – für uns undenkbar – um dann das schnelle Taxi zum Flughafen zu nehmen und den durchaus bezweckten Adrenalin-Schub zu erhalten, wenn er, kurz vor Schließen des Fluges, als Letzter das Flugzeug betritt. Hans Janke nennt das „Scheindramatisierung des Alltags“.
Ein weiteres Gemeinsames ist das unermüdliche Fabulieren über alle möglichen Krankheiten, deren Symptome, Diagnosen und Therapien. Es macht einfach großen Spaß, auch noch die abwegigsten körperlichen Unregelmäßigkeiten von Janke deuten zu lassen. Doch nicht voreilig die falschen Schlussfolgerungen ziehen: Beide, leicht exzentrischen Angewohnheiten haben Lebens- bzw. Erlebensqualität. Und machen Sinn. Man gewinnt kurzzeitig Muße für zurückgezogenes Überlegen, weil man für eine kurze Zeit in sich zurückgezogen ist. Hat Zeit für Wahrnehmen des scheinbar nebensächlichen Alltags. Und darum geht es ja u. a. bei diesen 30 bis 40 Fernsehfilmen im Jahr, die Hans Janke zu verantworten hatte: Das Wesentliche, das für die Augen unsichtbar ist, sichtbar zu machen.
Und der treffsichere Analytiker deines vermuteten Krankheitsbildes, der Krankheit und Tod wohl respektiert, liebt natürlich das Leben, hat eine große Lust daran. All das mit einem lebensklugen, witzig-ironischen Seitenhieb versehen, immer auch mit dieser besonders Männern eigenen Melancholie, die manchmal gewiss sentimental wird, gelangt Hans Janke dann aber stets zu einem pragmatisch klaren Urteil. "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse". Da gibt es bei Hans Janke keine. In der Sprache ist er ein Meister. Man ist beruhigt, wenn es heißt: Janke sagt vorher ein paar Worte. Und das Gespräch mit ihm nimmt Ängste. Du fühlst dich in seiner Gegenwart wohl. Seine Antwort ist klar überlegt, weil Janke zuhört. Redest du mit ihm – sei es direkt oder per Telefon – überlegst du nach kurzer Zeit, was du sagst und vor allem, wie du etwas sagst. Du bemühst dich, genau wie er, sorgsam zu formulieren. Du richtest dich auf einmal nach ihm aus. Empathie ermöglicht, eine andere Person ganzheitlich zu erfassen, also auch unter Einbeziehung derer Emotionalität.
Wie selbstverständlich war es für ihn, als er an diesem sonnigen Maitag im vorigen Jahr auf der Trauerfeier für meinen Vater auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte erschien, einem großen alten Mann die letzte Ehre erwies und mir ein wichtiger Beistand war. Er war einfach da. Kommt man Hans Janke näher, gibt er dir das sichere Gefühl, dass in diesem Moment tatsächlich nur dein Problem von Wichtigkeit ist. Er konzentriert sich auf dich. Er gewährt dir Zeit zu überlegen. Er bringt dich zur Ruhe. In der Sache streitbar und konsequent. Da trifft er gewagte, unpopuläre Entscheidungen für Nischenprojekte. Dann aber auf einmal auch erstaunliche Kompromisse, besser gesagt: Zusagen für Projekte, die ihn noch Wochen nach der Ausstrahlung erschauern lassen. Nicht untypisch für die Unterhaltungsbranche, was der Medienpolitiker Janke weiß. Ob nun notwendig oder nicht.
All das sind hilfreiche Eigenschaften, um in diesem unübersichtlichen, riskant-launischen Fernsehlaboratorium mit all seinen Auskennern und diversen Bescheid wissenden Autoritäten und – sagen wir mal – individuellen Ästheten zurecht zu kommen, um diese Vielfalt von Spielfilmen aller Art zu überschauen, zu initiieren und – wie über Jahre hin bewiesen – zu profilieren. Sowohl die gemeinverständlichen, als auch eben die unpopulären Entscheidungen gestalten ein Bild, das letztendlich Bestand hat. Wie der Montagabend, 20.15 Uhr, ZDF, „Fernsehfilm der Woche“ – Jankes erste Hausmarke. Dazu kommen die so genannten Event-Programme – wobei er diesen Begriff nie mochte – wie „Die Krupps“ oder „Dresden“, der ZDF-Freitagskrimi wie „Der Alte“, „Kommissar Stolberg“ oder „Ein Fall für zwei“, der ZDF-Samstagskrimi wie „Bella Block“ oder „Lutter“, da gehören „Aktenzeichen XY“ dazu und natürlich das viel gepriesene und viel bepreiste „Kleine Fernsehspiel“. Und er war als Stellvertretender Programmdirektor auch und immer für´s Grosseganze, wie er´s wohl nennen würde, prägend und verantwortlich.
Hans Janke – ein Aufklärer, der zwangsläufig mit Macht und mit Mächtigen in allen Varianten umgehen musste und – das nehme ich an – auch mit seiner eigenen Zerrissenheit umgehen musste, mit dem Zwiespalt des empfindsamen Vernunftmenschen. „Wer machen kann, dass andere etwas machen, der hat Macht.“ Das ist eine Binsenwahrheit. Wahr ist aber auch, dass Macht verführt – zum Macht missbrauchen. Das scheidet bei Hans Janke aus. Selbstgefälligkeit, Selbstüberschätzung, Maßlosigkeit, durchaus branchenimmanente Eigenarten – auch damit hatte er tagtäglich zu tun. Nicht einfach, nicht nur damit umzugehen, sondern auch dadurch nicht zum Zyniker zu werden, sondern zu moderieren, zu regulieren, zu beurteilen, um dann letztendlich zu entscheiden. Sollte ein Film A von einer Firma B mit Regisseur C gedreht werden und Janke wusste, dass es in dieser Konstellation wohl zu keinem guten Ergebnis kommen kann, sprach er von einem „Missverständnis“, einer seiner Lieblingsbegriffe. „Reicht mein Verstand zu diesem Geschäft hin oder nicht? Reicht er hin, so verwende ich ihn dazu als ein von der Natur mir verliehenes Werkzeug. Im entgegen gesetzten Falle überlasse ich das Werk dem, der es besser ausrichten kann.“ Das könnte Hans Janke gesagt haben, stammt aber von Marc Aurel.
Janke hat Fehler gemacht. Bestimmt. In dieser Branche gewiss keine Kunst. Manchmal auf die falschen Projekte gesetzt. Wie beinahe unmöglich ist es, Erfolg zu programmieren. Aber – und das weiß ich aus eigenem Erleben – die Fehler gibt er zu. Und zwar überzeugend, um daraus zu lernen. Simpel eigentlich, aber doch schwer in diesem sehr eitlen Gewerbe. „Nicht nachlassen!“ – ein uns allen nur zu bekanntes Janke-Motto. Hans Janke besitzt die Gabe, in seinem Lob, beinahe unbemerkt, gleichzeitig Kritik zu involvieren, die man dann aber schon genau versteht und, ganz wesentlich, die nicht verletzt. Und bekommt man von ihm Kritik, dann stets respektvoll, höflich, sprachlich geschliffen, deutlich – und man hat diese Kritik gewiss verdient. Respekt – ein Wort, das mit seiner Person einhergeht. Und der Begriff Wert, aus seinem Munde, besitzt tatsächlich Wert. Immanuel Kant sagt: der Mensch ist ein krummes Holz, daraus kann nichts Gerades gezimmert werden. Sonst bricht es.
Hans: Du hast in den Achtzigern das Grimme-Haus auf die Höhe der Zeit geführt. Du hättest bestimmt Intendant werden können ... oder sollen oder – was weiß ich – für ein Direktor noch. Ich bin jedenfalls froh, Dich eine lange Zeit als Fernsehfilmchef des ZDF gehabt zu haben. Hans Janke – ein Humanist … und ein Freund.
Ich gratuliere Dir zum Robert-Geisendörfer-Preis.