Kalt

FRANZISKA HARTMANN (Schauspielerin), Prof. Dr. HANS-ULLRICH KRAUSE (Autor) und STEPHAN LACANT (Regie), WDR, Redaktion: Programmbereich Fiktion, verantwortliche Redakteurin: Caren Toennissen, Produzent: Peter Hartwig

epd-bild/Tim Wegner

Begründung der Jury

Der Film heißt „Kalt“ (ARD/WDR) – und beim Anschauen wird einem selbst im Sommer eiskalt ums Herz. Der Erzieherin Kathleen Selchow passiert das Schlimmste, was einer Erzieherin passieren kann: Bei einem Ausflug mit einer Kindergruppe im November auf ein Feld verschwinden unbemerkt zwei Kinder. Als Kathleen auffällt, dass sie fehlen, läuft sie angstvoll zum nahen Fluss und muss sehen, dass sie zu spät ist. Der Junge, Nico, ist bereits tot, Jenny, das Mädchen, lebt noch, als sie sie aus dem kalten Wasser zieht. Doch im Krankenhaus fällt Jenny ins Koma und stirbt nach wenigen Tagen.

Wie erstarrt kehrt Kathleen nach Hause zurück. Ihr Mann versucht sie zu trösten, doch welche Worte des Trostes kann es geben in so einer Situation? Alpträume quälen sie. Sie martert sich mit Fragen: Wieso war sie im entscheidenden Moment unaufmerksam? Die Umgebung, die Mutter des toten Jungen, die anderen Eltern, auch die Polizei geben ihr die Schuld für das, was passiert ist. Alle ziehen sich von Kathleen zurück, ihr Sohn wird in der Schule von anderen Schülern gemobbt.

Dieser Film von Hans-Ullrich Krause (Buch) und Stephan Lacant (Regie) beschönigt nichts. Die Bilder sind entsättigt, kühler geht es kaum. Man durchlebt die Katastrophe mit ihr und fühlt die Einsamkeit der jungen Frau, die sich selbst ihre Schuld nicht vergeben kann. Der Film zeigt aber auch, wie einfach es sich eine Gesellschaft macht, die immer nach Schuldigen sucht, als ob die Antwort auf diese Frage ein totes Kind wieder lebendig machen könnte. Er zeigt, wie Verantwortung weggeschoben wird und wie sich alle von der vermeintlich Schuldigen abwenden.

Franziska Hartmann verkörpert eindringlich und überzeugend die Verzweiflung dieser beliebten, gestandenen Erzieherin, die sich so plötzlich der erdrückenden Schuldfrage stellen muss, und die, obwohl sie sich von aller Welt verlassen fühlt, gerade in dieser Situation Stärke zeigt und Verantwortung übernimmt.

„Und vergib uns unsere Schuld“ – selten hat ein Film so eindrücklich gezeigt, wie wichtig und wie schwierig das ist: sich selbst und anderen vergeben zu können.