Der Sonderpreis der Jury 2010 geht an Volker Heise, Künstlerischer Leiter von „24h Berlin – Ein Tag im Leben“ RBB/ARTE in Kooperation mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg.
Begründung der Jury
Längst sind wir an die vielen Kameras gewöhnt, die unser Leben unaufhörlich festhalten - fürs Fotoalbum oder die Parkhaus-Security. Für den Facebook-Account oder die Abendnachrichten, für den Moment oder für die Ewigkeit. Und doch bleibt das Leben auch im digitalen Zeitalter letztlich eine „unfassbare“ Angelegenheit. Mit „24 Stunden Berlin“ ist Volker Heise dem medialen Ideal einer umfassenden Alltagschronik unerwartet nahe gekommen. Er habe, so heißt es, die Idee zu diesem Projekt auf dem Berliner Hauptbahnhof gefasst. In Europas größtem Turmbahnhof treffen die Züge aus allen Himmelsrichtungen aufeinander, ohne dass sich die Gleise je kreuzten; täglich begegnen sich auf den verschiedenen Ebenen rund 300.000 Reisende, ohne sich je zu berühren.
Nach diesem Bewegungsmuster ist auch „24 Stunden Berlin“ konzipiert: Der Gleichzeitigkeit der abgebildeten Ereignisse steht die Unverbundenheit der Geschichten gegenüber. Auf Synchronizitäten wird in der Montage absichtsvoll verzichtet. Oder um es schlichter zu sagen: Wäre „24 Stunden Berlin“ nur eine ausgewalzte Dokusoap, würden sich die rund 80 Protagonisten am Ende des Tages wohl in einem großen Finale begegnen müssen. So aber bleibt es den Zuschauern selbst überlassen, Gemeinsamkeiten und vor allem Gemeinsamkeit zu stiften: Tatsächlich war die Ausstrahlung der 24 stündigen Kompilation ein unerwartet stark eingeschalteter Fernsehhöhepunkt des Jahres 2009. Millionen Zuschauer sahen Leslie Bomba aus dem „Quelle“-Callcenter beim Telefonieren und dem Talmudschüler Alex Beribes beim Beten zu. Fiona Bennett machte an diesem Tag Hüte, Klaus Wowereit Politik. Manches entstand für die Ewigkeit wie die Tätowierung von Andreas Geyer, anderes verflog im Augenblick wie der Heroinrausch von Mario Krüger. Zwei Kammerjäger fanden in einem Keller einen verwesten Leichnam, zwei Babies auf der Geburtstation der Charité den Weg ins Leben.
Unter den vielen Mitwirkenden vor und hinter den rund 80 Kameras waren auch einige Prominente wie die Regisseure Romuald Karmakar und Rosa von Praunheim, die Dokumentarfilmer Andres Veiel und Volker Koepp, der Dirigent Daniel Barenboim oder der DJ Paul van Dyk. Aber sie sind nicht wichtiger als der Verkäufer aus dem KaDeWe oder die Zugführerin aus der U-Bahn. Deren kleine Geschichten prägten sich fast mehr ein als die großen der großen Tiere. So war dieser Fernsehtag auch ein bisschen wie das Fernsehen selbst, das die großen Dinge so beruhigend klein und die kleinen Dinge so schön groß machen kann. Mit „24 Stunden Berlin“ ist Volker Heise und seinen 300 Mitarbeitenden ein Kunststück gelungen, gerade weil es nicht wie ein Kunststück aussieht. Sondern wie Du und ich. Das Leben eben.