Dankesrede für die Verleihung des Sonderpreises der Jury 2009
Als ein alter, auch älterer Freund hörte, mir werde der Medienpreis der Evangelischen Kirche verliehen, versah er seine Gratulation mit der Bemerkung, nun beginne mein „Absturz in den Ruhm“. Was er damit gemeint hat, muss ich – zumal in diesem Kreis, also unter uns – gewiss nicht erläutern. Hier darf und will ich vielmehr nur sagen: Ich stürze bereitwillig und gern und von Herzen dankbar!
Und nun sehr im Ernst: Den Robert Geisendörfer Preis zu erhalten, ist schon deswegen von solcher Glücksbedeutung und solchem Bedeutungsglück für mich, weil sich darin beinahe alles finden lässt, auch übrigens WIEDERfinden lässt, was mein Fernsehleben tatsächlich bestimmt hat. Robert Geisendörfers große Gründung nämlich, das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, hat mir die Chance geboten, mich beizeiten – über Rundfunk schreibend – bemerkbar zu machen. In diesem durch und durch liberalen Anregungsraum, der seinesgleichen suchte, waren Menschen zu treffen und als Erzieher, Begleiter, Freunde im Diskurs zu gewinnen und zu behalten, mit denen sich das Interesse, mein Interesse am Medialen in jeder Hinsicht kultivieren ließ. Theoretisch wie praktisch – das ganze Programm also betreffend samt seiner ästhetischen, politischen, sozialen, ethischen Implikationen.
Entschiedenes intellektuelles Ernstnehmen und Ernstgenommenwerden als die eine Voraussetzung des Austausches und eine demokratieemphatische Vorstellung von öffentlicher Kommunikation als die andere. Beide conditiones sine qua non. Auch heute notabene, absolut! So weit würde ich demnach ohne Zögern gehen: Robert Geisendörfers Gemeinschaftswerk hat mir auf vielfältige Weise und bei zahllosen Gelegenheiten ein durables Rundfunkverständnis vermittelt, mit dem zumal in der späteren Programmverantwortung und auch bei (Markt-)Verhältnissen etwas anzufangen war, die denen der 60er, 70er Jahre (seliges Monopol!) bekanntlich schon bald nicht mehr glichen.
Kurzum: die ganze schöne Fernseh-Sache, mit der ich bei „Grimme“ und dann in meinem lieben ZDF zugange war, hat also mit Geisendörfer begonnen, mit ihm und den Seinen: Norbert Schneider, Friedrich Wilhelm Hymmen, Uwe Kammann, Gisela Zabka, Josef Rölz, Peter Christian Hall, Heiner Michel, Hans-Wolfgang Heßler, Hannes Mattmüller, Murri Selle und ihren auswärtigen Konfidenten: Hans Abich z.B., Michael Schmid-Ospach z.B. Und sie ist – klandestin sozusagen und im Sinne ständiger Maßstabsvergewisserung – mit „Geisendörfer“ (als Chiffre) weitergegangen. Will sagen – ich hätte auch ohne die heutige Belobigung allen Grund, sehr dankbar zu sein. Und wie sehr NUN erst!
Meine Damen und Herren, weil diese fällige Erinnerung ein bisschen Zeit gebraucht hat, möchte ich mir fürs Programmatische, Prinzipielle, Grundsätzliche kaum noch welche nehmen. Es war ja und ich hatte ja reichlich Gelegenheit, der Programmqualitätsdebatte, der chronischen wie der jeweils aktuellen, der allgemeinen wie der speziellen um den Fernsehfilm etwa, einiges beizusteuern. Es wäre also nachzulesen – in „epd medien“ oder (so viel Ökumene darf sein) in der „Funk-Korrepondenz“ beispielsweise.
Es wäre, sage ich mit leicht gereizt-resignativer Tönung, weil gerade dieser Tage wieder diejenigen reichlich auf den Plan treten, die Norbert Schneider unlängst „Fernsehverfallsgeschichtenerzähler“ genannt hat, „zwar reich an Thesen, aber arm Programmkenntnissen“. Die notorischen TV-Basher also, solche der feuilletongebildet-blasierten Provenienz und solche vom Branchenbolzplatz. Aber sie hätten doch auch Anlass und Grund? Wohl wahr! Ein Korruptionsfall, ein Betrugsfall ist ein Skandal, und ein struktuell-korruptiver Konnex/Komplex, wenn er sich als solcher dingfest machen lässt, ist erst recht einer.
Zu beschönigen ist da nichts. Siehe „Maßstäbe“ – unterm Stichwort „Moralisches Minimum“ und mit der Frage: Auf welche Weise geraten diese Maßstäbe bei wem und warum außer Kurs, außer Kraft? Wie also wächst und festigt und naturalisiert sich eine fatale Neigung zur Selbstgestattung, zur Selbstbedienung, zur Selbstabsolution? Und an welchen Geldflüssen, Geldseen lagern Verführer hier und Verführte da, Schmierer und Geschmierte? Recherche – draußen wie drinnen – mit Ergebnissen dringend und immer wieder verlangt! Daraus aber flugs, heißt unter Miss- und Verachtung dessen, was reflektierte professionelle Programmarbeit ist und von ernsthaften Leuten alltäglich getan und expliziert wird, auf Versagen und Verkommen und Verlangweiligung und Nichtigkeit in toto zu schließen, ist – schlimm! – nicht gerade fair, vor allem aber – schlimmer! – intellektuell erschreckend faul. Auch der „Gesamtschuldner“ Fernsehen nämlich, dem jederzeit alle alles nachsagen dürfen, hat einen gewissen Anspruch auf Respekt. Dass er ihn sich immer von neuem zu verdienen hat, gehört freilich – zwingend und bindend – als zweiter Satz zum ersten. Und im Übrigen gilt wie so oft einer von Stanislaw Jerzy Lec' „unfrisierten Gedanken“: „Nenn das Ding beim Namen, aber auch beim Pseudonym!“
Mein Damen und Herren, jetzt aber nur noch dies: Dank dem Stifter und der Jury für die wunderbare Würdigung, Dank meinem Lehrer und Meisterregisseur Matti Geschonneck – lassen Sie sich von ihm zeigen und sagen, was Fernsehfilmqualität ist, und auch von denen, deren Arbeiten heute, Glückwunsch!, dekoriert wurden – und Dank Ihnen allen für Ihre ehrende Anwesenheit!