FLORIAN BÄNSCH (Autor/Regisseur), Radio Bremen, Redaktion: Bremen Zwei Kultur, Verantwortlicher Redakteur: Tobias Nagorny
Begründung der Jury:
Ein Schatz ist mit dieser Hördoku gehoben worden, das ist das eine. „(Erzähl mir von den) Stätten des Schreckens“ ist die akustische Aufbereitung eines Materialkonvoluts, das seit mehr als fünfzig Jahren im Archiv von Radio Bremen liegt. Achtzig Stunden Interviewaufnahmen mit Zeitzeugen, die Regisseur Karl Fruchtmann für seine Fernsehdokumentation „Zeugen – Aussagen zum Mord an einem Volk“ (1981) geführt hat. Zum ersten Mal kamen Überlebende ohne einordnenden Kommentar zu Wort. Viele, die Fruchtmann interviewte, fanden im Film keinen Platz. Aber ihre Erfahrungen blieben aufbewahrt. Florian Bänsch hebt das unveröffentlichte Material. In der vierteiligen Hörserie rekonstruiert er die Interviews nicht nur, er stellt sie auf beispielhafte, maßstabgebende Weise dar. Das ist das andere. Bänschs Arbeit geht übers Graben im Musealen, geht über die erhellende Auswahl und Montage des gefundenen Hörstoffs weit hinaus. „(Erzähl mir von den) Stätten des Schreckens“ ist eine kreative Gestaltung. Eine aktuelle Darstellung für uns heute und für unsere Zukunft. Florian Bänsch gelingt es, die Authentizität der Protagonisten zu wahren, indem er so behutsam wie klug mit dem Interviewmaterial umgeht. Gleichzeitig legt er den Fokus auf Fragen, die aktuell von großer Relevanz sind. Wie gelingt Weiterleben nach menschenfeindlichster Erfahrung, was ist und was bedeutet Resilienz? Bänschs ausgewählte Protagonisten geben Auskunft. Auskunft, die uns Zuhörende auch mehr als fünfzig Jahre nach den Aufzeichnungen Zukunftshoffnung hören lässt – und die Verpflichtung, es nie wieder so weit kommen zu lassen.