Rede 2007 von Monika Piel

Monika Piel, Intendantin des Westdeutschen Rundfunks

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, Sie heute beim Westdeutschen Rundfunk begrüßen zu dürfen und mit Ihnen die in diesem Jahr zum 24. Mal stattfindende Verleihung des Robert Geisendörfer Preises feiern zu können – übrigens hier im WDR zum zweiten Mal nach 1992. Ein Preis, der beispielgebend das auszeichnet, was öffentlich-rechtliches Rundfunk- und Fernsehprogramm ausmacht.

Welche Berechtigung haben Rundfunkgebühren? Diese Frage haben wir seitdem mit unseren Fernseh- und Rundfunkbeiträgen überzeugend zu beantworten, jeden Tag aufs Neue. Große Publizisten wie Robert Geisendörfer haben früh einen Auftrag an alle Medienschaffenden gerichtet, der auch uns im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt. Seine Forderung nach freier, unabhängiger und kritischer Publizistik ist zeitlos aktuell.

„Engagement ohne Eigennutz“ – forderte der Theologe und Medienmensch Geisendörfer für eine evangelische Publizistik. Sie sollte Anwalt derer sein, die verstummt und an den Rand gedrängt sind, Sprecher für die von der Kommunikation ausgeschlossenen. Fürsprecher für Themen, die gesellschaftlich verdrängt und übergangen werden. Nicht zuletzt sollte evangelische Publizistik aber auch die Kirchen in den Medien präsent halten – intensiv, identifizierbar, engagiert, ohne institutionelle Eigeninteressen.

Im Sinne von Geisendörfer werden mit dem nach ihm benannten Preis publizistische Leistungen deutscher Hörfunk- und Fernsehveranstalter ausgezeichnet, die – so die Auswahlkriterien – „das individuelle und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken, die zum guten Miteinander von Einzelnen, Gruppen, Völkern und zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter beitragen….(und somit die christliche Orientierung vertiefen sowie Zeugnis und Dienst der Kirche unterstützen.)“ Der Geisendörfer-Preis könnte mit dieser Definition auch ein von den Öffentlich-Rechtlichen verliehener Preis sein, denn er spiegelt einen Teil unseres Programmauftrages wider.

Programmgestaltung des WDR
Mit seinem Engagement für eine freie, der Gesamtgesellschaft verpflichteten Publizistik hat Robert Geisendörfer ethische Orientierungsmarken gesetzt und Standards definiert, die unverändert als Qualitätskriterien für uns Medienschaffende gelten, unabhängig von Konfession und Glauben.

Der WDR steht für eine solche unabhängige und glaubwürdige Information, für ein Programm nahe am Menschen. Dies gilt sowohl für unsere regionale Berichterstattung, die eine große Rolle im Gesamtprogramm spielt, weil sie den Menschen in einer immer komplexer und undurchschaubarer werdenden Zeit ein Stück – (ich sage mal den Begriff) – Heimat zurückgibt.

Das gilt natürlich auch für den politischen Journalismus und im besonderen für die Programmgestaltung des WDR in Hinblick auf gesellschaftliche/ethisch-religiöse Fragestellungen. Fragestellungen, die auf wachsendes Interesse bei unseren Zuschauern stoßen: Wer ist verantwortlich für die Entwicklungen in der Gesellschaft? Wie verändert die totale Ökonomisierung das Leben? Und: Was macht den Sinn unseres Lebens aus – jenseits von Konsum?

Es sind Themen, für die unsere Fachredaktionen Religion in Hörfunk und Fernsehen besondere Kompetenz haben. Und was ganz wichtig ist: Diese Fachredaktionen sind nicht etwa der verlängerte Arm der Kirchen. Sie produzieren auch keine Verkündungssendungen. Sondern sie bearbeiten das Themenfeld Glaube und Religion mit den ganz üblichen, soliden handwerklichen Instrumenten eines unabhängigen und glaubwürdigen Journalismus. Die Ergebnisse dieser journalistischen und redaktionellen Arbeit sind in unseren Programmen zu hören und zu sehen, im Hörfunk, im Fernsehen und demnächst übrigens noch ausführlicher im Internet. Dort nämlich werden wir unsere Inhalte zu den Themen Glaube und Religion demnächst in einem eigenen Portal anbieten.

Ausblick
Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Heute wie vor 15 Jahren – als der WDR das erste Mal Gastgeber des Geisendörfer Preises war. Die Programmvielfalt, die schon Anfang der 90er Jahre überwältigend schien, hat sich seitdem durch den technischen Fortschritt ins schier Unendliche gesteigert. Das ist nicht zwingend mit einem Mehr an Vielfalt und einem Mehr an Qualität einhergegangen. Es hat Verunsicherung auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgelöst und den Bedarf und die Notwendigkeit, sich zu besinnen, sich zu positionieren. In einer Medienwelt, die keine Tabus mehr kennt, ist es umso wichtiger für uns geworden, eine klare eindeutige Haltung einzunehmen. Nur sie macht uns als öffentlich-rechtlich wiedererkennbar und verlässlich für unsere Zuschauer.

Medien-Preise wie der heute hier verliehene stehen für diese Verantwortung, sie setzen eine qualitative Messlatte, die Ansporn und Verpflichtung ist. In einer Zeit, die der Manipulation von Bild und Ton keine Grenzen mehr setzt, muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk Garant bleiben für glaubwürdige Information. Die Verleihung des Geisendörfer Preises erinnert uns an diese Verpflichtung und sie zeigt jedes Jahr aufs Neue, dass in unser komplexen Medienlandschaft eine Vielfalt engagierter Radio- und Fernsehproduktionen entstehen können, die uns durch ihren engagierten Blick auf die Gesellschaft berühren und durch inhaltliche und formale Qualität überzeugen.

Ich freue mich, dass der WDR für diese wichtige Veranstaltung in diesem Jahr Gastgeber sein kann, ich bin gespannt auf die diesjährigen Auszeichnungen und heiße Sie im Namen des Westdeutschen Rundfunks noch einmal sehr herzlich willkommen.