Autorin Karla Krause-von Fumettti und Regisseurin Friederike Wigger. RBB 2007 (Redaktion: Feature), Co-Produktion: WDR
Begründung der Jury
Die statistische Wahrscheinlichkeit, an der Hirnkrankheit „Chorea Huntington“ zu erkranken, ist ausgesprochen gering. Wer allerdings die Anlage zum „Veitstanz“ in sich hat, vererbt den tödlichen Gendefekt mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit weiter - über Generationen hinweg an seine Kinder und Kindeskinder. Weil die unheilbare Krankheit erst zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr ausbricht, leben Angehörige von „Chorea“-Kranken nicht nur jahrelang mit der Bürde, ihre schwerkranken Eltern zu pflegen, sondern auch in der ständigen Angst, bald selbst betroffen zu sein. „Risikopersonen“ können sich seit kurzem in einem aufwendigen Verfahren testen lassen. Mit dem Gentest wird aus der statistischen Wahrscheinlichkeit Gewissheit und aus einer „Risikoperson“ womöglich ein dem Tode geweihter Mensch. In ihrem Feature „Tödliches Erbe“ stellt Karla Krause mit Jeannette und Ines zwei junge Frauen vor, die als „Risikopersonen“ vor existenziellen Fragen stehen: Wie soll ich leben? Ist es verantwortlich, eine Familie zu gründen? Macht es Sinn, eine lange Ausbildung anzufangen? Soll ich mich testen lassen? Und wenn ja: Wie würde ich mit einem positiven Testergebnis klarkommen?
Mit großer Einfühlung gegenüber den Betroffenen Ines und Jeannette, aber ohne falsche Rücksichtnahme gegenüber ihren Hörern legt Karla Krause schonungslos die weitreichenden Implikationen der Chorea-Huntington-Krankheit offen. In „nur“ einer Stunde berührt ihr Feature, das von Friederike Wigger kunstvoll eingerichtet wurde, paradigmatisch alle Themenfelder, die mit dem Krankheitsbild verbunden sind: von der Gendiagnostik bis zum Pflegenotstand, vom seltenen Einzelschicksal bis zur allgemeingültigen Wertedebatte. Karla Krause wird für diese konzeptionelle Leistung, die die Jury für vorbildlich hält, bereits zum dritten Mal mit dem Robert Geisendörfer Preis geehrt.