Autor Jochen Bitzer, Regisseur Stephan Wagner und Schauspieler Robert Atzorn. Der Fall Jakob von Metzler. ZDF 2012, Redaktion: HR Fernsehfilm I, verantwortl. Redakteurinnen: Caroline von Senden und Katharina Dufner; Produktion: teamWorx, Berlin
Begründung der Jury
Es ging um das Leben eines elfjährigen Kindes. Wolfgang Daschner wollte deshalb nichts unversucht lassen. Aber als sich der Polizeivizepräsident entschloss, dem Verdächtigen Gäfgen Gewalt androhen zu lassen, war Jakob von Metzler in Wahrheit schon tot. Dieses Wissen liegt nun wie ein Schauder über dem Dokumentarspiel, das die historischen Ereignisse ansonsten so frei wie möglich von Parteinahme rekonstruiert. Die Zurückhaltung ist Konzept.
Sie eröffnet einem Denkraum, den der Zuschauer mit seinen eigenen Fragen besetzen kann – nein: besetzen muss. Wie hätte man wohl selbst unter diesem Druck gehandelt? Was wäre richtig gewesen: Das Leben des Kindes höher zu bewerten als das geltende Recht? Oder die Gesetze um jeden Preis – auch den des Todes? - zu achten?
Der Film wird zum Kunstwerk, weil er mehr Fragen stellt, als Antworten liefert, und weil er sich zu keiner Zeit mit jemandem gemein gemacht hat: Drehbuchautor Jochen Bitzer verbietet sich jede Folterpolemik, Regisseur Stephan Wagner inszeniert akribisch den schmucklosen Polizeialltag in all seiner bürokratischen Behäbigkeit.
Und dann ist da noch der Hauptdarsteller, der keiner sein will: Robert Atzorn spart sich jede Eitelkeit, er zeigt seinen Daschner als einen in Pflichtbewusstsein erstarrten Beamten, der bis zum Schluss fest daran glaubt, das einzig Richtige getan zu haben. Von Anfang an kann der Zuschauer Argumentationshilfen für das eigene Urteil sammeln, das sich schließlich am realen Richterspruch gegen Daschner messen lassen muss. Der Fernsehfilm lässt bei dieser Urteilsfindung reichlich Spielraum für innere Revisionsprozesse: Wie hätte ich mich verhalten? Offenbar gibt es Situationen im Leben, aus denen es kein Entkommen gibt, ohne mit der eigenen Entscheidung Schuld zu übernehmen. Gerade das macht den Film über alle Zweifel erhaben.