Laudatio von Diemut Roether auf das Redaktionsteam von „hr2-Der Tag“
Sehr geehrter Herr Marmor, sehr geehrte Frau Bischöfin,
lieber Bischof Fischer,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
Als ganz Deutschland im Januar über die Äußerung eines älteren FDP-Politikers diskutierte, der einer jungen Journalistin gesagt hatte, sie könne gut ein Dirndl ausfüllen, da war dies auch Thema bei der HR-Sendung „Der Tag“. Doch die Redaktion sprach nicht etwa mit Alice Schwarzer über Sexismus in der Politik oder mit einem Politologen darüber, ob Rainer Brüderle der richtige Spitzenkandidat für die FDP sei. Nein, sie sprach mit Ethnologen, Soziologinnen und Modedesignerinnen über die gesellschaftliche Rolle des Dirndls und seine Karriere von der Arbeitskleidung zum modischen Must-have. Das Dirndl sei „in seiner Bedeutung und Konnotation seit Jahren unterschätzt“, so die Ausgangsthese der Redaktion. Der Titel der Sendung war: „Ein Himmelreich für ein Dirndl“.
Typisch „Der Tag“: Die Redaktion beschäftigt sich gut 50 Minuten lang mit einem Thema, wendet es hin und her, bürstet es mal mit dem Strich, mal dagegen - und am Ende kommt eine Sendung dabei heraus, die im besten Fall überrascht, die auch mal zum Schmunzeln bringt und fast immer zum Weiterdenken anregt.
So geht die Redaktion von „Der Tag“ jedes ihrer Themen an. Ob es um das „TV-Duell“ geht oder den Herbstbeginn, um Wolkenkratzer oder darum, dass wir uns zu Tode schuften: Die Redakteure suchen nach neuen Aspekten, nach dem anderen Dreh und vor allem nach Gesprächspartnern, die nicht bereits überall zu sehen und zu hören waren. Und - ganz wichtig - sie ergänzen diese Interviews mit persönlichen Reflexionen zum Thema und mit literarischen Zitaten, die meist nicht die nächstliegenden sind. Zum „TV-Duell“ zum Beispiel suchten sie ein Zitat aus Friedrich Schillers „Maria Stuart“ heraus. Mit diesem 200 Jahre alten Text belegten sie, dass die Kunst der Rede nicht erst in der modernen Fernsehdemokratie darüber entscheidet, wer aus einem Streitgespräch als Sieger hervorgeht.
Die Redaktion verwendet viel Zeit auf die Suche nach den richtigen Gesprächspartnern und auch auf die Suche nach diesen „Ornamenten“, wie sie die literarischen Zitate nennt, die die Sendung nicht nur schmücken, sondern die im besten Fall auch eine neue Perspektive auf das Thema eröffnen. Diese Ornamente, sagt Redaktionsleiterin Angela Fitsch, sollen auch „das Herz berühren, nicht nur den Kopf“.
So ist es. Die Redaktion schafft es jeden Tag, Kopf und Herz zu berühren. Wann hört man sonst im Radio so gut vorbereitete Interviews, die an der richtigen Stelle einhaken, die den Gesprächspartner nicht einfach ab- oder ausfragen, sondern ihn gelegentlich aus der Reserve locken, die einladen zu einem Diskurs, zum Abenteuer Denken.
„Der Tag“, das merkt man beim Hören, ist eine Sendung, die im permanenten Gespräch entsteht. Stundenlang sitzt die Redaktion beieinander, diskutiert über das Thema, dreht und wendet die Thesen - bis der Moderator ab 18 Uhr dieses Gespräch einfach fortsetzt, auf dem Sender, mit seinen Interviewpartnern. Die Sendung ist darum auch nicht die Leistung einzelner Autoren und Moderatoren, sondern - das werden Sie gleich sehen, wenn sich hier die Bühne füllt - sie ist wirklich Teamwork.
So wird „Der Tag“ zu einer politischen Feuilletonsendung, die einmalig ist in der deutschen Radiolandschaft. Während die Radiosender ringsum immer mehr vom Gleichen senden, nutzt die Redaktion von „Der Tag“ die Schnelligkeit des Mediums Radio, um umfassend und hintergründig über aktuelle Themen zu informieren und unter der Oberfläche neue Schichten freizulegen.
Ob es um die Waffenexporte der Deutschen nach Syrien geht, den Vormarsch der Veganer oder die Staatspleiten in Europa, die Redaktion beleuchtet das gewählte Thema aus vielen unterschiedlichen, oft überraschenden Blickwinkeln. Die Redakteure schürfen tief und setzen in der Sendung ein Mosaik zusammen, das die Sehnsucht vieler Zuschauer nach Einordnung der oft schwer verständlichen aktuellen Meldungen stillt. „Der Tag“ leistet Tag für Tag unverzichtbare Aufklärungsarbeit.
Der lange Atem der Redaktion wird belohnt: „Der Tag“ gehört zu den Sendungen des Hessischen Rundfunks, die im Internet am häufigsten abgerufen werden. Nicht jeder liebt den „Tag“, diese Sendung will auch nicht „everybody's darling“ sein. „Der Tag“ sei für ihn oft ein Ärgernis, schrieb einmal ein treuer Hörer. Dennoch sei ein Tag ohne den ,Tag' für ihn ein verlorener Tag. Kann es ein schöneres Kompliment geben?
Jetzt gibt es dafür den Sonderpreis der Jury des Robert Geisendörfer Preises. Herzlichen Glückwunsch!