Alexander Smoltczyk (Autor), Grit Lederer (Regie), Maurice Weiss (Kamera). Radio Bremen/ARTE 2016, Produzentin: Irene Höfer, Medea Film, Berlin
Begründung der Jury:
Der Terrorist, der im Konzerthaus Bataclan 2015 fast neunzig Menschen ermordete, war Busfahrer der Linie 148, einer Linie, die entlang der nördlichen Banlieue von Paris unterschiedliche Viertel streift. Banlieue – das Wort weckt Assoziationen, und es sind keine angenehmen. Man verbindet mit ihm sozialen Niedergang, Armut und gewaltsame Auseinandersetzungen. Eine Zone außerhalb der eigentlichen Stadt mit hoher Kriminalität und Regeln, die dem Überlebenskampf entstammen.
Alexander Smoltczyk schaut mit großer Geduld genauer hin und entdeckt eine andere Banlieue. Er tut das, indem er in seinem Film „Endstation Bataclan“ die Linie 148 abfährt und uns dabei im doppelten Wortsinn mitnimmt. Die Kamera unterbricht diese Fahrt immer wieder, steigt aus, wenn Menschen oder Gruppen ihr Interesse wecken. Geschichte und Geschichten liegen nah am Straßenrand. Der Kommentar, gesprochen von Ulrich Matthes, reflektiert die Fahrt in die unterschiedlichen Milieus und zu palimpsestartig sich überlagernden Abschnitten französischer Geschichte. Die Kamera von Maurice Weiss arrangiert Begegnungen und Entdeckungen als fotografisch anspruchsvolle Tableaus. Es gibt einen Bürgermeister, der für Toleranz wirbt, und einen Imam, der nur unter Polizeischutz predigen kann, weil seine Ansichten vielen Muslimen zu liberal sind. Irgendwo hier wurde Asterix ersonnen. Auch ein Deportationslager liegt auf dem Weg zur Endhaltestelle.
Die Reise beginnt morgens und endet mit einer nächtlichen Einstellung. Eine filmische Atempause, bevor der Busfahrer denselben Weg in umgekehrter Reihenfolge wieder abfahren wird. Die Frage, ob sich entlang der Linie 148 auch die Motive des Attentäters erkennen lassen, bleibt scheinbar unbeantwortet. Wer will, kann in „Endstation Bataclan“ viele mögliche Antworten finden.