Autorin Margot Overath. MDR 2010 (Redaktion: Feature/Künstlerisches Wort), Koproduktion: DLF/NDR
Begründung der Jury
Oury Jalloh stirbt am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle in Dessau. Gefesselt an Händen und Füßen verbrennt der aus Sierra Leone stammende 36igjährige Mann bei lebendigem Leib. Er soll die Matratze, auf der man ihn fixiert hat, selbst angezündet haben und an einem Hitzeschock gestorben sein. Es ist ein Fall voller Ungereimtheiten, Halbwahrheiten, Lügen. Die Polizei habe die Aufklärung verunmöglicht, sagt der Vorsitzende Richter über den Prozess gegen die beiden Polizisten, die für Oury Jallohs Sicherheit verantwortlich waren. Margot Overaths Spurensuche beginnt mit dem Rückblick auf die Trauerfeier für Oury Jalloh; hier wird der Sarg von verzweifelten Trauergästen geöffnet: Der verkohlte Leichnam straft die offizielle Darstellung Lügen. Ebenso eine zweite – privat finanzierte – Obduktion. Margot Overath beginnt ihre Recherchen beim Landgericht Dessau, durchforstet die Prozessakten, stellt die richtigen Fragen, bohrt nach – und stößt auf eine Mauer des Schweigens. Bei Gericht ebenso wie bei der Staatsanwaltschaft und dem Polizeipräsidium. Sie nimmt uns mit in das Dessauer Polizeirevier und die Zelle Nummer 5. Sie lässt Beamte den ordnungsgemäßen Ablauf eines Gewahrsams schildern und zieht Vergleiche mit den Ereignissen des 7. Januar 2005. Deutlich wird: Beweismaterial ist verschwunden, Eintragungen wurden unterlassen, Spuren nicht verfolgt und vernichtet. Und damit stellt sich die furchtbare Frage: Gab es den Vorsatz, einen Menschen zu töten?
Beklemmend und atmosphärisch dicht ist diese akribische Recherche. Es ist der hartnäckige Versuch, die Wahrheit über den Tod eines Menschen herauszufinden und ihm damit wenigstens die Würde zurückzugeben. Es ist das, was Polizei und Staatsanwaltschaft zu tun gehabt hätten. Journalismus als vierte Gewalt, die Missstände in Staat und Gesellschaft aufzudecken hat – auch dafür steht das ausgezeichnete Feature von Margot Overath.