Der Sonderpreis der Jury 2003 geht an die Redaktion SWR 3-Topthema
stellvertretend für das Autoren- und Reporterteam an Edgar Heinz, Ressort News + Info und Aktuelles
Begründung der Jury
Welche politische Bedeutung hat eigentlich noch die Affäre um die Bonus-Meilen? Bundestagspräsident Thierse sagt: „Was von diesem Sommertheater übrig bleiben wird, ist die erhebliche Verletzung des Datenschutzes durch Unbekannt.“ Viel mehr ist es denn ja auch nicht gewesen. Bemerkenswert: Das SWR 3-Topthema überlässt Thierse diesen Satz als einzigen O-Ton in einer Wochenchronik der Ereignisse. Und diese Wochenchronik wurde nicht etwa im Sommer 2003, sondern mitten in der Zeit der Aufregung, mitten im Sommertheater 2002 gesendet. Die Bewertung während des aktuellen Geschehens erweist sich als weitsichtig - ein außerordentliches Qualitätsmerkmal für eine tägliche Informations-Sendung.
Es ist nicht das einzige Qualitäts-Merkmal, mit dem SWR 3-Topthema herausragt. Schon das Format als solches ist eins. SWR 3, das öffentlich-rechtliche Hörfunk-Programm des Südwestrundfunks, das im wesentlichen den Wettbewerb mit den kommerziellen Mainstream-Sendern gewinnen soll, leistet sich jeden Tag eine Informationsstrecke in einer Länge von bis zu vier Minuten. Nicht etwa versteckt in den Nachrichten. Mittendrin im musikdominierten, mit flotter Zunge moderierten, Comedy-bestückten Fließprogramm informiert SWR 3 seine Hörerschaft täglich mit dem Topthema. Nicht an den Tagesrand gedrückt um Mitternacht herum, sondern am Vorabend zur so genannten Drive-Time. Drive-Time, das ist nach der Frühsendung die zwischen den Sendern besonders umkämpfte zweite Prime-Time. Wer sich da zwischen den Dreier-, Vierer- und Fünfer-Pack-Musikteppichen, zwischen den fünfzehn bis dreißig Sekunden Moderationen oder den Minuten-Umfragen vier volle Minuten Information ohne jede Musikuntermalung leistet, bringt etwas Außergewöhnliches auf den Sender und ist preiswürdig. So wie das SWR 3-Topthema.
Das Produzenten-Team schafft diese exzellente Standardleistung jeden Tag. Hochkomprimiert, inhaltlich kompetent, professionell präsentiert. Jenseits von Plattitüden, sicher in der Einschätzung, fair im Umgang und dennoch flott, spritzig, frech. „Schröder ist wieder Kanzler und keiner ist zufrieden“, lautet die Tageszusammenfassung am Tag der Vereidigung zur zweiten Amtszeit des Sozialdemokraten. Aber SWR 3 belässt es nicht bei der frechen Schlagzeile: Stimmen aus der Bevölkerung, ausländische Pressezitate, eine gut begründete Bewertung des eigenen Berliner Korrespondenten belegen die Behauptung. Die das SWR 3-Team aber gleich auch wieder relativiert: Ein bisschen bessere Stimmung täte gut, zitiert die Sendung den Chefredakteur des Manager-Magazins, schließlich sind wir immer noch eine der reichsten Nationen der Welt und haben unsere Regierung demokratisch gewählt. Kein Haudrauf-Journalismus im SWR 3-Topthema – relativierende, gewichtende, faire Berichterstattung ist zu hören – und das in knapp vier Minuten. Erstklassig!
So gibt ein Pop-Programm den aktuellen Ereignissen Stimme. Nicht ins Minderheiten-Programm müssen wir ausweichen, im Mehrheiten Programm haben wir die Chance zum Zuhören. In einem Programm-Format, das gerade auch junge Leute ansprechen soll. Aufgabe der evangelischen Publizistik ist es laut Robert Geisendörfer unter anderem, den Schwachen Stimme zu geben. Das SWR 3-Topthema hat eine Stimme. Dort nehmen wir auch eine Tageszusammenfassung zum Weltbevölkerungstag wahr. Wir hören zu. 7 Milliarden Menschen demnächst auf der Welt, Wachstum bei 226 287 pro Tag.
Zuwenig Wasser. Zuwenig Nahrung. Zuviel Dreck. Sagt SWR 3-Topthema. Danke SWR 3-Topthema, sagt die Jury. Dass ihr nicht schweigt, sondern sendet. Jeden Tag!