Autorin und Regisseurin Marianne Weil Deutschlandradio Kultur, Redaktion: Hörspiel/Produktion Wort, verantwortl. Redakteur: Ingo Kottkamp.
Begründung der Jury
Eine Kreissäge zerschneidet das Interview. Eine Bohrmaschine dringt in jedes Gespräch ein. Kinder lachen, Geschirr klappert. Ihrem Publikum signalisiert Marianne Weil, Autorin und Regisseurin von „Grandhotel für Alle!“, von Anfang an: Störgeräusche gehören hier dazu. Denn das Augsburger Projekt, das sie über lange Zeit teilnehmend beobachtet hat, ist weder eine romantische Künstlerkolonie noch eine emsige Instandbesetzung. Das international beachtete Flüchtlingshotel ist ein fragiler Zufluchtsort. Weil beschreibt ihn als eine lärmige und lebendige Utopie, die jungen Betreiber als Idealisten, die sich immer wieder auf Machbares und Wünschenswertes besinnen müssen: Im Grandhotel Cosmopolis leben Flüchtlinge, Hotelgäste und Künstler unter einem Dach, als wären alle gleich. Bis die einen abgeschoben und die anderen sich ihrer Ohnmacht bewusst werden.
Marianne Weil, die mehrfach zur Recherche als „Hotelgast ohne Asyl“ im Cosmopolis logierte, montiert ihr rhythmisch feinfühlig komponiertes Feature chronologisch: Von der euphorischen Bauphase über den ermüdenden Behördenkampf bis zur Ernüchterung, nachdem eine Gastfamilie aus dem Kirchenasyl heraus rückgeführt wurde, kann der Hörer emotional mitschwingen. Sie hält einerseits journalistisch Distanz, bewirkt andererseits mit einer Anfrage im Rathaus eine Verbesserung im Projektalltag. So wird die Autorin Teil jener „sozialen Plastik“, welche die Macher des Projekts in Anlehnung an den Aktionskünstler Josef Beuys formen wollen. Was Marianne Weil eingangs amüsierte, ist ihr am Ende ein Lob wert. Dass sie ihren eigenen Perspektivwechsel transparent macht, adelt das Augsburger Projekt und zeichnet sie aus.