Regisseur Jo Baier und Autor Michael Watzke. BR (Redaktion: Fernsehfilm), SWR, WDR, ARTE 2007
Begründung der Jury
Was entgegnet man einem Menschen, der nicht mehr leben will? „Das Leben ist schön“, sagt Anno zu seinem depressiven Bruder Julian. Wie Annos „schönes Leben“ in München aussieht, hatte uns der Film eingangs mit ein paar fulminanten Szenen skizziert: Anno, der gewiefte Modefotograf, Anno, der smarte Frauenverführer; Anno, der coole Porschefahrer; Anno, der waghalsige Segelflieger; Anno, der nachts über die Autobahn jagt, um den kleinen Bruder im letzten Moment davon abzuhalten, sich das Leben zu nehmen. Denn Julian steht in Wuppertal auf der Brücke – bereit für den großen Sprung. Wie Anno das Leben liebt, so liebt Julian den Tod. Auf seine Art setzt auch er alles auf eine Karte – nur ist es eben nicht die Karte des Lebens. Wer behauptet, das Leben sei schön, darf diesen Beweis nicht schuldig bleiben. Und so nimmt Julian seinen Bruder mit nach München, um dem Lebensmüden das pralle Leben vor Augen zu führen. Und tatsächlich! Fernab der großen Brücke blüht Julian sichtlich auf, er macht erste Schritte ins Leben, ringt sich sogar zu einer schüchternen Schwärmerei durch. So befreien sich Julian und Anno in diesem Sommer jeder auf seine Weise aus ihrem inneren Gefängnis: der depressive Julian wird lebensfroher, der rastlose Anno ernsthafter. Und alles könnte gut werden, wären die beiden nicht in die gleiche Frau verliebt.
Ein weniger stilsicherer Regisseur hätte diese rasante „Coming of age“-Story vielleicht als verfilmte Popliteratur inszeniert. Ein weniger talentierter Autor hätte seinem Stoff womöglich jene artifizielle Strenge verweigert, die erst aus der wahren Begebenheit eine Tragödie formt. Mit prächtigen Landschaftsbildern macht Jo Baier die Schönheit der Schöpfung für uns alle sichtbar. Dass man am Ende dennoch nachvollziehen kann, dass für Julian der Weg in den Tod der einzig gangbare ist, verdankt der Film freilich auch seinen Hauptdarstellern Max von Pufendorf und David Rott. Die jungen Gesichter tragen den Film.