Martin Durm (Autor) und Maidon Bader (Regie) Südwestrundfunk Hörfunk, Redaktion: SWR 2 Wissen
Begründung der Jury
Es ist der „Irrwitz der Gleichzeitigkeit“, den Martin Durm beschreibt. Mehr noch: Er seziert ihn, er legt die Schichten menschlicher Existenz und politischen Handelns bloß und macht klar, wie Krieg, Gewalt, kleptokratische Herrscher, Klimawandel Lebensgrundlagen in Afrika zerstören, wie hilflos und widerspruchsvoll die EU-Staaten auf die Migration reagieren. Martin Durm nimmt uns mit zur „Endstation Sahel“ und setzt ein Fragezeichen hinter den Titel seines meisterlichen Features. Regisseurin Maidon Bader hat dafür eine eindrucksvolle und vielfältige Form gefunden, die den Menschen, die in den Flüchtlingslagern des Tschad gestrandet sind, eine Stimme gibt. Deren Ziel heißt Europa. Und Europas Ziel ist es, Afrikas Migranten aufzuhalten.
Irrwitz der Gleichzeitigkeit: Der ohnehin arme Tschad wird immer ärmer, dabei erhält sein korruptes Regime Hunderte Millionen aus Europa. Die politische Formel „Bleibeperspektive und Stabilisierung der Krisenregion“ heißt: Die Potentaten der Sahelzone werden mit Euro subventioniert. Irrwitz der Gleichzeitigkeit: Im Tschad sind mit EU-Mitteln Flüchtlingslager entstanden, deren Infrastruktur weit über dem liegt, was Einheimischen zugänglich ist, und die die Menschen ihrer Lebenstüchtigkeit beraubt. Irrwitz der Gleichzeitigkeit: Europäische Agrarpolitik sabotiert, was europäische Entwicklungspolitik aufbauen will.
Martin Durm ist ein ebenso vielschichtiges wie eindrückliches Werk gelungen, das mit großem Wissen und tiefer Kenntnis uns in einer ebenso empathisch wie brillanten Analyse der Großen Wanderung zeigt, was wir damit zu tun haben. Maidon Bader schafft mit Zitaten des Enzensberger-Texts von 1992, überzeugenden, vielfältigen O-Tönen und klugen Textpassagen des Autors ein radiofones Werk, dessen eindringliche Atmosphäre uns in den Bann zieht, wach macht – und ganz nebenbei auch klüger.
Martin Durm nimmt uns in seinem meisterlichen Feature mit zur „Endstation Sahel“, für das Regisseurin Maidon Bader eine mannigfaltige Formensprache gefunden hat. Die Menschen, die in den Flüchtlingslagern des Tschad gestrandet oder dorthin geflohen sind, haben nur ein Ziel: Europa. Und Europas Ziel ist es, Afrikas Migranten aufzuhalten. Durm und Bader zeigen uns, was wir damit zu tun haben.