BEATRIX ACKERS (Regie) und MARIE VON KUCK (Autorin), Deutschlandfunk, Redaktion: Feature | Hörspiel | Radiokunst, verantwortlicher Redakteur: Wolfgang Schiller
Begründung der Jury
Wer bekommt das Sorgerecht für die Kinder? Diese Frage war in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich keine: Natürlich die Mutter! Im Scheidungsfall war das politisch vorgezeichnet, die juristischen Entscheidungen vollzogen die gesellschaftliche Wirklichkeit nach – oft genug, ohne sich ein differenziertes Bild über die tatsächlichen Verhältnisse von Mutter, Vater, Kind zu machen. Danach wurde alles anders: Mit der Gleichstellung der Frau veränderten sich gesellschaftliche Realitäten, in denen aber auch die Männer auf ihre Väterrechte pochten. Mit Recht! Erneut vollzogen die juristischen Entscheidungen die jetzt veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit nach – das Kindeswohl liegt nach Ansicht der Gerichte in der Mehrzahl der Scheidungsfälle jetzt nicht mehr nur bei der Mutter, sondern bei beiden Eltern. Was aber ist, wenn der Mann ein Schläger ist? Wenn die Frau sich mit der Trennung seiner Gewalt entzieht? Verändert sich dann die juristische Entscheidung? Marie von Kuck lässt uns in ihrem Feature, das unter der Regie von Beatrix Ackers entstanden ist und von DLF Kultur ausgestrahlt wurde, aufhorchen. Frauen, die zum Opfer männlicher Gewalt werden, müssen oft genug hilflos mitansehen, wie sie zum zweiten Mal in die Opferrolle gedrängt werden. Wer Gewalt erleidet und das vor Gericht im Streit ums Sorgerecht geltend machen will, prallt allzu häufig an der juristischen Grundhaltung ab, die das vermeintliche Kindeswohl immer und immer nur bei beiden Eltern verortet. So wie früher immer und immer nur bei der Mutter. Das Schicksal der Protagonistin in dem berührenden Hörfunkbeitrag, geschlagen zu sein und von den Kindern getrennt zu werden, weil sie ihre erlittene Pein vor Gericht geltend machen wollte, erstaunt und empört. Wie bitte? Kann das wahr sein? Ja, wenn sich Rechtsprechung nur grob an gesellschaftlichen Leitlinien orientiert und sich nicht um differenzierte Urteilsfindung bemüht. Dann spielt die Angst der betroffenen Frauen keine Rolle.