Karlheinz Koinegg (Buch) und Martin Zylka (Regie) Westdeutscher Rundkfunk 2017, Redaktion: Musik und Radiokunst – Hörspiel
Begründung der Jury
Karlheinz Koinegg war neun Jahre alt, als sein Vater sich im Nachbarzimmer das Leben nahm. Der kleine Junge fand den Toten in seinem Kinderzimmer. Warum sich der Vater ins Kinderbett legte, um zu sterben, blieb wie so vieles andere unklar. Die Bettwäsche, so erinnert sich der Autor fast fünfzig Jahre später, wurde noch lange weiterbenutzt. Nachdem „Lauter liebe Worte“ sein Thema mit einem Paukenschlag gesetzt hat, schlägt die Originaltonrecherche vielstimmige und weit leisere Töne an. Der namhafte Hörspielautor Koinegg reist zurück in seine Kindheit. Er spricht mit Angehörigen und Fachleuten, sucht Arztbriefe, findet Ratlosigkeit und überall „lauter liebe Worte“ für seinen Vater und dessen Schicksal. Hans Koinegg war offenbar schizophren – eine Krankheit, seinerzeit wenig erforscht, die sich für die soziale Umgebung als unkalkulierbare Folge von „Ausrastern“ darstellt. Hans wird mehrfach in die Psychiatrie eingewiesen und verliert mehr und mehr den Kontakt zu Alltag und Familie. Aus dem sensiblen, belesenen und intellektuell interessierten jungen Mann wird ein kränkelnder Stahlarbeiter, der von der körperlich zehrenden Arbeit zunehmend zermürbt wird. Man möchte weinen, wie sein Sohn, heute älter als der Vater je wurde, diese Entwicklung beschreibt. Und man fragt sich bald, welchen Anteil die Umgebung spielte, die mit Schweigen auf das für sie Unaussprechliche reagierte. Dass Koinegg trotz der persönlichen Betroffenheit eine versöhnliche Sicht auf das Vergangene gelingt, macht das zweimal einstündige Hörstück besonders wertvoll.