„Zehn Jahre Sibir” – Deutsche Zwangsarbeiterinnen in Schadrinsk 1945-1948)

Autorin und Regisseurin Charlotte Drews-Bernstein und Redakteurin Barbara Entrup.
SFB/ORB

Begründung der Jury

Diese Hörfunkproduktion aus einer der renommiertesten Featureabteilungen der ARD wurde offiziell nicht eingereicht, sondern von der Vor-Jury nachgereicht. Die Frage, ob die von Charlotte Drews-Bernstein, einer angesehenenen Hörfunk- und Fernsehautorin intendierte, exzellent konstruierte Collage von Originaltonaussagen früherer Zwangsarbeiterinnen in Sibirien heutiger medialer und politischer „Correctness“ entspricht, mag Sender wie Redaktion anfangs stark verunsichert haben. Charlotte Drews-Bernstein blieb unbequem, hartnäckig und konsequent: Sie vertraut in ihrem Radiofeature, dessen Enstehungsgeschichte nicht frei war von Irritationen, dem Stoff: der „oral history“ jener Frauen, die über ihr Leben in Sibirien erzählen, sie verweigert sich aufgesetzten Interpretationen oder gar politisch-einordnenden Kommentaren. Und deshalb ist diese Produktion für die Jury – die sich auch bei dieser Sendung einstimmig entschied – ein ausgezeichnetes Beispiel für das Prinzip der „Nachhaltigkeit“ und des Vertrauens auf Originalaussagen von Menschen, die sich in ihrer biografischen Augenzeugenschaft jedem sekundären Deutungsversuch nachfolgender Generationen zu Recht entziehen.

Neun Frauen erzählten der Autorin und Regisseurin Charlotte Drews-Bernstein ihre Geschichte: Sie wohnen oder wohnten in Berlin, Osnabrück, Lottebühren, Irxleben, Götzing bei Strehla, Bad Meinberg, Duderstadt und Hamburg. Vier von ihnen könnten ihre Geschichte heute nicht mehr erzählen. Fast alle sprachen damals zum ersten Mal über die Zeit ihrer Internierung. Niemand wurde bedrängt. Niemand wurde vom Medium funktionalisiert. Sie erzählten, weil sie der Autorin vertrauten.

Entstanden ist ein Radiofeature, in der Frauen mit bewunderswerter Haltung von ihrer Deportation und Heimkehr erzählen, frei von jeder Larmoyanz. Wer zurück kam, orientierte sich am neuen Wohnort. Die Musikalität der regional gefärbten Originaltonaussagen ist vielstimmig und keineswegs frei von Humor. Deshalb und auch, weil Frauen zur Männersache „Krieg“ und „Kriegsfolgen“ über andere Einsichten und Erzählqualitäten als Männer verfügen, hat die Jury sich für diese Sendung entschieden:

Diese Sendung empfiehlt die Jury zur Übernahme in den Programmen anderer Rundfunkanstalten. Dass Autorin und Redakteurin trotz aller diskursiven Vorüberlegungen am Projekt festhielten, verdient unsere einmütige Anerkennung.