Julia Albrecht und Dagmar Gallenmüller. WDR 2015, Redaktion: FS-Politik und Gesellschaft, Koproduktion: NDR und SWR, Produzent: Thomas Kufus, zero one film, Berlin
Begründung der Jury
Ohne Misstrauen hatte Christa Albrecht ihre Freunde angerufen und die Tochter Susanne angekündigt. Zwei Mal war die gesuchte RAF-Terroristin im Hause der Pontos zu Gast, beim dritten Mal brachte sie Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar mit. Als sich Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank, gegen seine Entführung zur Wehr setzte, schossen sie. Nicht Susanne, aber die anderen.
Julia Albrecht, Journalistin und Juristin, konnte ihren Eltern lange nicht verzeihen, dass sie die Absicht der großen Schwester nicht durchkreuzt und die geplante Tat verhindert hatten. „Die Folgen der Tat“ heißt nun ihr kluger Interviewfilm, in dem sie gemeinsam mit Koautorin Dagmar Gallenmüller die sich über Jahrzehnte hinziehende, im Kern bis heute heillose Geschichte aufarbeitet. Die beiden tun dies mit familiärer Intimität und mit analytischer Distanz. Bilder vom Tatort wechseln mit privaten Erinnerungen.
Die Mutter am Küchentisch, die Schwester auf der Anklagebank: Selbst denen, denen der „Fall Albrecht“ nicht mehr en détail vor Augen steht, hat dieser Film etwas zu sagen. Wer den historischen Background – den Linksterrorismus der siebziger Jahre, das verdeckte Leben der RAF-Aussteiger in der DDR, die späte juristische Aufarbeitung nach der Wende, die Freigängerdebatte der letzten Jahre – innerlich ad acta gelegt hat, findet in den Interviewsequenzen immer noch genug Bedenkenswertes vor. Er habe sich als „Opfer zweiter Klasse“ gefühlt, erinnert sich der Bruder an die Zeit unmittelbar danach. Sprachlosigkeit machte sich breit, was sollte man auch sagen? Den Pontos? Den Nachbarn? Der Schwester, als die vor Gericht von einer „schweren Kindheit“ sprach? Bis heute schweigen die Terroristen der RAF über ihre Taten. Auch Susanne Albrecht wollte sich am Film ihrer Schwester nicht beteiligen. „Die Folgen der Tat“ ist deshalb weder ein Film über die RAF noch ein Versöhnungswerk. Es ist nicht einmal eine Familientragödie. „Die Folgen der Tat“ ist ein Film über das Schweigen. Und damit ein umso wichtigeres Statement.