Prof. Dr. Thomas Gruber, Intendant des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der ARD
Herzlich willkommen im Bayerischen Rundfunk. Ich freue mich, dass Sie in diesem Jahr wieder einmal in München zu Gast sind und wünsche Ihnen einen angenehmen Tag bei uns.
Seit der ersten Preisverleihung im Jahr ´83 sind der BR und der Robert Geisendörfer Preis eng miteinander verbunden. So eng, dass Albert Scharf und ich der Jury einst das Gastrecht auf Lebenszeit zusicherten – ein Angebot, in dessen Genuss wahrlich nicht jeder kommt! Dass die Jury dennoch beschloss, München in Richtung Mainz zu verlassen, haben wir (ich gebe es zu) zunächst schon etwas verschnupft aufgenommen, aber aus einem Grund haben wir es dann doch recht gut verkraftet: Wir stehen noch immer in enger Verbindung mit dem Preis und seiner Jury, denn eines eint uns: Das Bestreben, durch hochwertigen Journalismus einen offenen und kritischen Diskurs zu fördern.
Nun hat dieses Bestreben allerdings so seine Tücken, denn mit dem Stichwort „kritischer Diskurs“ wird meist vor allem eines assoziiert: Schweres und Problematisches. Diese Erfahrung kommt mir aus Jurykreisen immer wieder zu Ohren. Und offenbar passt diese Erfahrung auch gut zu dem allgemeinen Image, das die christlichen Kirchen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben: Uns traut kaum jemand eine Leichtigkeit des Seins zu. Stattdessen gelten wir als „Sachwalter des Grämlichen“, beauftragt mit der Grundversorgung existenzieller Fragestellungen. Anderen dagegen wird die leichte Seite zugeschrieben: Die Kunst einer heiteren Lebensführung, die Fröhlichkeit und auch die Oberflächlichkeit.
Ganz falsch ist diese Einteilung freilich nicht: Natürlich wollen wir nicht in heiterer Beliebigkeit aufgehen, natürlich sehen wir uns zuständig für die „Grundversorgung“ mit gesellschaftlich relevanten Themen. Sowohl die großen Kirchen als auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten setzen klare Positionen gegen die Beliebigkeit, sie sehen sorgfältig hin, mischen sich öffentlich ein und widersprechen, wenn das Menschenbild zum berechenbaren Wirtschaftsfaktor zu werden droht. Und dennoch: So verstandene Wachsamkeit muss keineswegs eine „Kultur des Grämlichen“ hervorbringen, die uns so gern zugeschrieben wird. Freude ist kein journalistisches Tabuthema, sie gilt vielmehr als eine wesentliche Eigenschaft der christlichen Kultur.
Viele Einreichungen für den Robert Geisendörfer Preis belegen eher das „grämliche“ Image. Ein Teil der Beiträge mutet – überspitzt gesagt – an wie die Addition sämtlicher sozialer, psychologischer, kultureller und wirtschaftlicher Krisenbeschreibungen. Man bekommt ein bisschen den Eindruck, die Kirchen und die Rundfunkanstalten würden vor allem als Experten für die Schattenseiten des Lebens gesehen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Nur wer Schattenseiten beleuchtet, kann Licht ins Dunkel bringen. Nur wer Krisen benennt, kann etwas gegen sie tun. Oberflächliches Geplänkel will ein protestantischer Medienpreis ganz sicher nicht fördern. Doch jede Krise ist auch ein Neuanfang, jeder Tiefpunkt ist auch ein Wendepunkt. Die positiven Aspekte zu benennen, Lösungen aufzuzeigen und Mut zu machen gehört für mich zu einem ernsthaften Journalismus ebenso dazu wie das Benennen von Problemen und Missständen.
Robert Geisendörfer hat dies auf die schöne Formel gebracht: „Fürsprache üben, Barmherzigkeit vermitteln und Stimme leihen für die Sprachlosen.“ In dieser Formel sind beide Seiten enthalten: Die Schattenseiten, die Krisen, die Sprachlosigkeit – aber auch die Hoffnung, die Barmherzigkeit und das Eintreten füreinander. Geisendörfer übrigens waren die leichten Seiten des Lebens wohl vertraut: er verfügte über Humor, Heiterkeit und Gelassenheit – trotz seines analytisch-scharfen Blicks auf seine Umwelt.
Die bisher mit dem Geisendörfer-Preis ausgezeichneten Beiträge spiegeln diese Weltsicht wider. Ob komplexe Dokumentation oder kurzes Radioformat: Sie zeigen Probleme, Ungerechtigkeit, Diskriminierung – handeln aber gleichzeitig von Achtung, Toleranz oder vom Verständnis für Andere. Sie zeigen ein Bild von kirchlicher und medialer Verantwortung im besten Geisendörfer´schen Sinne. Umso mehr freue ich mich auf die heutige Preisverleihung und bin gespannt auf die in diesem Jahr ausgezeichneten Beiträge.
Zum Schluss eines noch: Der Bayerische Rundfunk ist heute und in Zukunft sehr gerne Gastgeber für den Robert Geisendörfer Preis. Denn dieser Preis ist eine wichtige Schnittstelle in den Beziehungen zwischen Kirche und Welt, zwischen christlichen Werten und medialen Tugenden. In diesem Sinne: Willkommen im Bayerischen Rundfunk und viel Freude bei der heutigen Preisverleihung.